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14.09.2017

Einzelhandel: Lang lebe die Innenstadt!

innenstadt_einkaufen_shopping.jpgvon Hans-Jürgen Kendziora

Fakt ist: Die Einzelhandelsstrukturen haben sich verändert. Gründe gibt es viele: Zuerst kamen die Einkaufszentren und großen Fachmärkte auf der grünen Wiese, dann immer mehr Factory Outlets, und natürlich der starke Zuwachs des Internethandels, die so auch zu einer Veränderung in den Innenstädten geführt haben. Ein schleichender Zerfall der Einzelhandelsvielfalt ist zu spüren, besonders in den Klein- und Mittelstädten aber auch in den Oberzentren und Großstädten. Der Verlust von vielen kleinen individuellen Einkaufsläden hat zu Leerständen oder bei Neuvermietung zu Austauschbarkeit und Uniformität in der Einzelhandelslandschaft geführt. Sehr oft findet der Kunde in den filialisierten Shops hier kaum noch Unterschiede – obwohl die Attraktivität einer Einkaufsstraße genau in der Vielfalt der Läden und Geschäfte liegt! Hier sind Gewerbevereine, Einzelhändler, Citymanager, die Wirtschaftsförderung, aber auch die Immobilienwirtschaft und vor allem die Kommunen aufgefordert, mehr zu tun.

Die große Frage lautet: Welche Maßnahmen führen zu einer qualitativen Verbesserung, zu einer Aufwertung des stationären Einzelhandels in der Innenstadt?

Gerade die inhabergeführten Fachgeschäfte müssen vor Ort gehalten oder neu angesiedelt werden. Die sozialen und kulturellen Zusammenhänge, die Lust am Flanieren und Shoppen, das Erleben von Vielfalt sind wichtige Faktoren, die – losgelöst von wirtschaftlichen Aspekten wie Arbeitsplätzen und Gewerbesteuer – eine lebendige Stadt ausmachen. Zwei bis drei verkaufsoffene Sonntage im Jahr reichen bei Weitem nicht aus.
Kunden setzen immer mehr auf persönliche Betreuung, kurze Wege zum Produkt, Nah- und Schnell-Kauf. Trends, die eine weitere Verödung der Innenstädte aufhalten oder sogar umkehren könnten. Mittlerweile gerät auch das Geschäftsmodell der Einkaufszentren zunehmend in die Krise. Zahlreiche Handelsexperten und Professoren sind inzwischen der Meinung, dass zur Straße orientierte Läden wieder im Kommen seien. 

Die riesigen Einkaufszentren mit ihren veralteten Filialkonzepten werden von einem historischen Konkurrenten wieder eingeholt, den sie längst vom Markt gedrängt zu haben schienen – den kleinen individuellen Läden. Sie verändern das Stadtleben radikal und erweisen sich als ideale Ergänzung zum Fern-Einkauf, indem sie durch Kundennähe und Exklusivität eine Lücke im Angebot des Online-Handels füllen. Was die Versandkonzerne in ihrem Online-Angebot nicht zur Verfügung haben, können die kleinen Läden um die Ecke anbieten. Während große Shoppingcenter in dieser Hinsicht für ihre Kunden nicht mehr so attraktiv sind, gewinnen kleinere, meistens im  Familienbetrieb geführte Läden in der Innenstadt immer mehr an Bedeutung für die Kundschaft. 

Vielfalt und Individualität – Erfolgsrezept für lebendige Städte

Es ist die enge Verbindung zwischen Stadtgefüge und vielfältigem Einzelhandel. Heidelberg, Freiburg, Mainz oder das kleine Quedlinburg sind hier als positive Beispiele zu nennen. Die Verzahnung von Stadtbild, Architektur und Kommerz ist hier sehr gut gelungen. Die Attraktivität einer Stadt, ihre Sehenswürdigkeiten, ihre Besonderheiten, ihr Ambiente und ein guter Einzelhandel sind Erfolgsgaranten für eine von Kunden und Besuchern geschätzte Stadt.
Einzelhandel kann nur in jenen Kommunen wachsen, denen es gelingt, ihre Städte wieder attraktiv zu machen, ihre Infrastruktur zu verbessern und Veränderungen in  der Stadtplanung und der City-Architektur vorzunehmen. Lebendigkeit kann nur dort entstehen, wo die Immobilienwirtschaft auf Renditeoptimierungen über immer höhere Mieten verzichtet, sodass der Mietermix in jeder Einkaufsstraße durch Vielfalt und Individualität bestimmt wird. 

Besonders Internet und die Digitalisierung fordern einen Veränderungsprozess im Einzelhandel. Passiert das nicht, werden nach einer Prognose des Handelsverbands Deutschland (HDE) bis 2020 deutschlandweit mehr als 50.000 Standorte vom Markt verschwinden.  Schlechte Nachrichten,  besonders für innerstädtische Läden, die sich nicht nur mit dem digitalen, sondern auch dem demographischen bzw. ethnischen Wandel der heutigen Gesellschaft beschäftigen müssen.  Nur wenn es gelingt, den Einzelhändlern die neuen Herausforderungen aber auch die Chancen des digitalen Wandels bewusst zu machen, können sie auch vom großen Erfolg des Onlinehandels profitieren, statt ihn als eine Bedrohung zu erleben.
Dieser Wandel muss sich in den Sortimenten, in der Ladengestaltung und in der Kundenansprache wiederfinden und beachtet werden. Aufenthaltsqualität, Service, Beratung – alles Eigenschaften, die Kunden in den Großstrukturen des Einzelhandels immer weniger vorfinden. Der Handel ist eine große Stütze für Innenstädte und deren Entwicklung.  Daran zu arbeiten und diese Entwicklung voranzutreiben ist eine vordringliche Aufgabe aller Beteiligten. 

Über den Autor:Kendziora Hans-Joachim_sw-x.jpg
Hans-Jürgen Kendziora  ist Vorstandsmitglied des GermanRetailLab e.V. und seit über 35 Jahren in der Handelsbranche tätig. Vor seiner zwölfjährigen Tätigkeit als Geschäftsführer der Dehner GmbH & Co. KG, war Kendziora als Vorstand und Geschäftsführer der massa AG und real-SB-Warenhausholding tätig. Heute ist er Unternehmens- und Personalberater.

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